
Opfer oder Macherin?

Opfer oder Macherin? Das Zauberwort heißt Eigenverantwortung
Verantwortung? Schon wieder? Ja, aber nicht für andere, sondern endlich mal für dich. Lass uns hier und jetzt mit ein paar Dingen zum Thema Eigenverantwortung aufräumen, okay?
Was bedeutet volle Eigenverantwortung?
Wenn man über Eigenverantwortung, oder auch Selbstverantwortung, spricht, dann denken viele erst mal an Disziplin, an Entscheidungen, an Klarheit, und manchmal auch an das beklemmende Gefühl, sich endlich zusammenreißen zu müssen. Als wäre Eigenverantwortung so etwas wie ein innerer Chef, der einen streng anblickt und fragt, warum man eigentlich noch nicht weiter ist, ob man getrödelt oder sogar blaugemacht hat, weil da noch so vieles liegt, was erledigt werden soll.
Aber so ist der Begriff NICHT gemeint. Absolut nicht. Denn echte Eigenverantwortung beginnt nicht mit Härte, sondern sie beginnt mit Wohlwollen dir selbst gegenüber und einem stillen, ehrlichen Blick auf dich selbst. Sie beginnt mit dem Mut, dich endlich zu fragen: Was brauche ich wirklich – und bin ich bereit, mir das zu geben, auch wenn niemand anders es tut? Oder wenn es gar gegen andere Interessen geht?
Die Selbstfürsorge ist nicht der weichgespülte kleine Bruder der Verantwortung, sondern ihr Fundament. Denn wie soll ich kraftvoll durch mein Leben gehen, wenn ich mich selbst ständig im Stich lasse? Wie soll ich klare Entscheidungen treffen, wenn ich nicht einmal weiß, ob ich müde bin, traurig oder einfach nur leer? Viele Frauen, gerade in der zweiten Lebenshälfte, haben so viel Verantwortung übernommen – für Kinder, für Beziehungen, für den Arbeitsplatz, für alles und alle – dass sie oft gar nicht mehr wissen, wie es sich anfühlt, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.
Verantwortung im Sinne von Ich bin mir wichtig.
Und das ist keine Egozentrik, sondern eine Form der inneren Aufrichtung (und ja, vielleicht auch Ausrichtung. Aber das „f“ ist wichtig). Denn wenn ich mich selbst ernst nehme, wenn ich spüre, wann ich eine Pause brauche, wann ein Nein fällig ist, und wann es Zeit ist, meine Bedürfnisse nicht mehr hintanzustellen, dann bin ich in meiner Mitte. Und aus dieser Mitte heraus lassen sich Entscheidungen treffen, die wirklich zu mir passen. Nicht, weil ich soll, sondern weil ich wirklich aus mir heraus will.
ABER die Selbst- oder Eigenverantwortung hat noch eine andere Seite. Und nein, es ist nicht die Kehrseite einer schönen Medaille, auch wenn es auf den ersten Blick danach aussehen mag. Es ist die Lösung aller Probleme schlechthin. Glaub mir!
Ohne die Verantwortung für dich selbst zu übernehmen, wirst du im Leben keinen Erfolg haben. Und in diesem Fall meine ich tatsächlich, zieh dir die Schuhe an, die dir gehören. Sei mutig und schau die Dinge an, die du stets von dir gewiesen hast. Wo hast du bisher mit dem Finger auf andere gezeigt und ihnen die Schuld an deiner Misere – oder zumindest deiner aktuellen Situation – gegeben? Der Chef, der dich nicht mag und nicht vorankommen lässt? Die unfaire Schwägerin, die deinen Mann gegen dich aufhetzt? Das Kind an der Supermarktkasse, das so nervig war, dass du die Kassiererin angeblafft hast – und die natürlich patzig geantwortet hat? Oder dein Vater, der dich nicht so gesehen hat, wie es gern gehabt hättest?
Merke 1: Wem du die Schuld gibst, dem gibst du die Macht.
Sau-unbequem, ich weiß. Hab mich selber auch lang gegen dieses Prinzip gewehrt und fand es ätzend. Aber ich musste schließlich einsehen, dass es halt einfach stimmt. Solange wir nicht unseren eigenen Anteil an einer Sache, einer Situation oder einer Entwicklung sehen und anerkennen, werden wir nie etwas daran ändern können. Solange du sofortgleich mittanzt, wenn einer das Liedchen spielt, kannst du nie aus dem Reigen aussteigen. Weil du nämlich dann, wenn immer alle anderen Schuld sind, MACHTLOS bist. Lass dir das mal auf der Zunge zergehen.
Willst du in deinem eigenen Leben machtlos sein?
Nein? Dann trage, so unbequem es auch sein mag, die Verantwortung für dich selbst und nimm endlich die Zügel deines eigenen Lebens in die Hand. Und ja, es ist schon gemütlicher, sich zurückzulehnen und mit dem Finger auf „die Schuldigen“ zu zeigen (und sind sie das wirklich wirklich?). Aber dadurch wird sich ganz sicher nichts ändern. Falls dir das so recht ist, darfst du gern in deiner Jammerzone sitzen bleiben. Alles gut, amici come prima, sagen die Italiener. Wir bleiben trotzdem Freunde. Aber wenn du mehr vom Leben willst, wenn du dich und deine Träume verwirklichen oder einfach nur das Leben führen möchtest, von dem du immer heimlich geträumt hast, dann reicht das nicht. Dann heißt es, in den Spiegel zu schauen und zu sagen Ja, das hier ist meine eigene Baustelle und da räume ich jetzt auf. Nicht meine Eltern, nicht meine Kollegen, sondern ich selbst hab das zu verantworten.
Und dann? Wirst du irgendwann – nicht gleich heute oder morgen, aber bald – erleben, wie sich in deinem Alltag Dinge verändern, wie Grenzen sich verschieben (zu deinen Gunsten) und wie Menschen mehr und mehr Respekt vor dir bekommen. Weil auch du immer mehr Respekt vor dir bekommst. „Plötzlich“ (haha) klappen Dinge, die bisher schiefgegangen sind, bekommst du Chancen wie vorher nie und erreichst Ziele, die bisher utopisch erschienen. Weil du vom Opfer zur Macherin geworden bist. Und das ist eines der größten Geschenke, die du dir selbst machen kannst.
Merke 2: Es gibt keine erfolgreichen Opfer!
Also. Wenn du das nächste Mal eine Entschuldigung für etwas bei anderen suchst, halt einen Moment inne und schau kritisch-wohlwollend auf deinen eigenen Anteil daran. Lächle, atme und übernimm das Steuer, damit dein Boot die Richtung nimmt, die DIR gefällt.
PS: Mein aufrichtiger Dank für die beiden knackigen Merksätze geht an Katrin Ziebart, von der ich sie gehört habe. Die werde ich auch mein Leben lang nicht mehr vergessen.
